Im Jahr 1923 traten bei Bauarbeiten in Horgen im Gebiet Scheller am Ufer des Zürichsees Funde zu Tage. Im Jahre 1934 erkannte der Prähistoriker Emil Vogt vom Schweizerischen Landesmuseum, dass die Funde sich charakteristisch von anderen Epochen unterschieden. Weitere wichtige Fundstellen sind Sipplingen am Bodensee oder Bad Buchau am Federsee. In den Jahren 1987 bis 1990 fanden wesentliche Untersuchungen der Fundstelle statt, dabei musste zumeist unter Wasser gearbeitet werden.
Zu bedeutenden Funden, so der zweitältesten Tür der Welt, kam es ausserdem bei einer Rettungsgrabung während der Bauarbeiten für das Parkhaus Opéra am Zürcher Theaterplatz von April 2010 bis Januar 2011. Auf rund 3000 Quadratmetern liessen sich dabei die Reste von sechs Siedlungsphasen der Horgener Kultur und zwei der schnurkeramischen Kultur dokumentieren. Diese Fundstelle übertrifft die bisher bekannten deutlich an Fläche und Fundmenge. Aufgrund der Repräsentativität und der hohen Datendichte erlaubt sie tiefe Einblicke in Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt vor 5000 Jahren.[1][2]
Keramik und Werkzeuge
Die Horgener Kultur ist durch grobe, dickwandige, zylinderförmige Keramik gekennzeichnet.[3] Da sie sich darin von ihren Vorgängerkulturen unterscheidet, kam die Vermutung auf, dass die Träger der Horgener Kultur Einwanderer gewesen seien. Wie Martin Kolb (siehe Literatur) berichtet, deuten dagegen Funde in Sipplingen auf einen fliessenden Kulturwandel, was die Vermutung nahelegt, dass die Horgener Kultur einen bodenständigen Ursprung hat. Die Pfahlbausiedlung Arbon-Bleiche 3 steht ebenso zeitlich und typologisch zwischen den beiden Kulturen.[4]
Die Unterschiede in der Keramik lassen sich auch durch ein verändertes Nutzungsverhalten erklären. Wie Speisereste in der Keramik der Horgener Kultur belegen, wurden die dickwandigen Gefässe auch für das Erwärmen von Speisen verwendet; die Nutzung ging also über das Aufbewahren von Lebensmitteln hinaus.
Bei den aufgefundenen Werkzeugen lassen sich alle Produktionsschritte nachweisen, ihre Form ist schlicht und zweckmässig.
Besonders typisch für diese Zeit sind Zwischenfutter aus Hirschgeweih, welche zwischen einen Holm und ein Steinbeil aufgeschäftet wurden. So verschlissen die Holme weniger schnell.[5]
Literatur
Marion Itten: Die Horgener Kultur. Birkhäuser, Basel 1970.
Martin Kolb: Die Seeufersiedlung Sipplingen und die Entwicklung der Horgener Kultur am Bodensee. In: Helmut Schlichterle (Hrsg.): Pfahlbauten rund um die Alpen. Theiss, Stuttgart 1997, ISBN 3-8062-1146-9 (Archäologie in Deutschland. Sonderheft.) ISSN0176-8522, Seite 22–28.
Niels Bleicher, Christian Harb (Hrsg.): Zürich-Parkhaus Opéra, Band 1–3, Monographien der Kantonsarchäologie Zürich 2016/17.