Michael Gwisdek wurde als Sohn der Gastwirte Alfred und Margarete Gwisdek, geb. Schäfer, in Berlin-Weißensee geboren, wo die Eltern eine eigene Gaststätte betrieben.[5][4][6] Nach der Schulausbildung absolvierte er ab 1957 auf Wunsch seiner Eltern eine Facharbeiterausbildung zum Gebrauchswerber und Dekorateur.[4] Er arbeitete für ein Jahr bei der HO Lebensmittel als Plakatmaler und Dekorateur in Berlin-Mitte.[4][6] Im Jahr 1960 war er in West-Berlin im technischen Außendienst als Vertreter für Kochendwasser-Automaten tätig.[6] Von 1961 bis 1963 arbeitete er zunächst als Buffetier in der elterlichen Gaststätte, später war er Clubhausleiter eines Jugendclubs.[4][6] Bereits mit 16 Jahren fand er nach seiner schulischen Ausbildung Interesse am Schauspiel – er wollte auf die Schauspielschule von Hilde Körber in West-Berlin. Später engagierte sich Gwisdek am Arbeitertheater Friedrichshain und am Dramatischen Zirkel Klingenberg.[4] Daneben absolvierte er ein Fernstudium der Regie an der Theaterhochschule Leipzig, bei dem ihm die Qualifikation als „Leiter des künstlerischen Volksschaffens“ zugesprochen wurde.[6] 1964 war er als Verlader von Eisenbahnwaggons in einer Spezialbrigade im Transformatorenwerk Oberspree tätig.[6]
Theater
Nachdem Gwisdek zunächst zweimal nach einem Vorsprechen abgelehnt worden war, studierte er von 1965 bis 1968 an der Staatlichen Schauspielschule Berlin.[6] Anschließend erfolgte ab 1968 ein sechsjähriges Engagement am Städtischen Theater Karl-Marx-Stadt, wo er zahlreiche Rollen in klassischen wie modernen Bühneninszenierungen spielte.[4] Vor allem seine Darstellung des Pantalone in Carlo Goldonis Der Diener zweier Herren wurde positiv von Publikum und Kritikern aufgenommen. 1973 holte ihn Regisseur Benno Besson an die Volksbühne Berlin, wo er zehn Jahre engagiert war.[4] Gwisdek spielte hier unter anderem in zahlreichen Inszenierungen zu Stücken von William Shakespeare. In der Bühnenaufführung Wie es euch gefällt (1975) gab er den Probstein, in Hamlet (1977) den Horatio oder den Bleichenwang in Was ihr wollt (1981). Unter Heiner Müller war er in dessen im Jahr 1980 uraufgeführten Theaterstück Der Bau als Donat zu sehen. In seiner Macbeth-Adaption (1982) verkörperte er einen der drei Macbeths. Danach war er ab 1983 am Deutschen Theater Berlin engagiert,[4] wo er unter anderem 1984 die Titelrolle in Oscar WildesBunbury übernahm und 1987 in Jean-Paul SartresDie Fliegen die Rolle des Pädagogen spielte. 1991 endete sein Engagement. Seitdem arbeitete er als freier Schauspieler.
Film und Fernsehen
Kino
Gwisdek stand parallel zu seiner Bühnentätigkeit auch vor der Kamera. 1968 debütierte er in der Anna-Seghers-VerfilmungDie Toten bleiben jung als SS-Offizier. Danach agierte er in dem DEFA-Indianerfilm Spur des Falken als Goldsucher und dessen Fortsetzung Weiße Wölfe als Terrorist.[4] In der Filmsatire Till Eulenspiegel gab er den Landsknecht des Ritter Kunz (Franciszek Pieczka) und arbeitete erstmals mit dem Regisseur Rainer Simon zusammen. 1976 besetzte ihn Kurt Maetzig für sein Filmdrama Mann gegen Mann in der Rolle des Kriegsheimkehrers Michael Mähr, der mit derselben Frau verheiratet ist wie sein Kamerad, worauf es zu einem für Michael tödlichen Duell kommt.[4] In der Filmkomödie Zünd an, es kommt die Feuerwehr (1979), seiner zweiten Zusammenarbeit mit Rainer Simon, übernahm er die Rolle des Karl Moor.[4] In Simons Gegenwartsfilm Jadup und Boel (1980) verkörperte er den Antiquitätenhändler Gwissen, der den titelgebenden Bürgermeister Jadup (Kurt Böwe) zum Nachdenken bewegt.[4]
Im Jahr 1988 führte Gwisdek erstmals Regie. Er inszenierte für die DEFA den Historienfilm Treffen in Travers und besetzte seine damalige Ehefrau Corinna Harfouch in der weiblichen Hauptrolle und ihre beiden gemeinsamen Kinder als Dorfjungen. Sein Regiedebüt brachte ihm 1990 beim 6. Nationalen Spielfilmfestival der DDR den Preis für den besten Film ein und 1989 erhielt sein Werk als erster DDR-Film eine Einladung zum Filmfestival Cannes.[7][4] In Heiner CarowsComing Out, dem ersten DDR-Film mit Homosexualität als Thematik, war Gwisdek als homosexueller Barwirt Achim am Mauerfallstag im November 1989 auf der Kinoleinwand zu sehen.
Nach der deutschen Wiedervereinigung war Gwisdek weiterhin in diversen Kino- und Fernsehproduktionen zu sehen und konnte dabei an seine schauspielerischen Erfolge anknüpfen. Er arbeitete auch weiter als Filmregisseur. Roland Gräf besetzte ihn 1991 als Historiker und ehemaligen Oberassistenten Dr. Hans Peter Dallow in seinem DDR-kritischen Drama Der Tangospieler nach dem gleichnamigen Roman von Christoph Hein.[4] Gwisdek wurde gleichen Jahres für seine dargebotene Darstellung mit dem Deutschen Filmpreis als „Bester Hauptdarsteller“ ausgezeichnet.[4] 1994 spielte er in Urs OdermattsWachtmeister Zumbühl die Titelrolle.
In dem Kammerspiel Abschied von Agnes (1994) über die psychischen Nachwirkungen der DDR schrieb er das Drehbuch und spielte die Hauptrolle des arbeitslosen Wissenschaftlers Heiner.[4] 1998 spielte er in seiner dritten Regiearbeit Das Mambospiel (1998) die Rolle des alternden Schauspielers Martin an der Seite seiner damaligen Ehefrau Corinna Harfouch. Der Film wurde beim Wettbewerb der 48. Berlinale gezeigt.[4]
Seine letzte Rolle auf der Kinoleinwand hatte er neben Dennis Mojen in der im Juli 2019 uraufgeführten tragikomischen Kinoromanze Traumfabrik, die das Filmwesen der DDR satirisch behandelt, als alter Opa Emil Hellberg, der seinem kleinen Enkel im Rückblick von dem bewegtesten Jahr seines Lebens erzählt.
Neben seinen Arbeiten auf der Bühne und in Kinofilmen wirkte Gwisdek auch in zahlreichen Fernsehproduktionen mit. Er gastierte unter anderem seit 1996 in diversen Folgen der ARD-Krimireihe Tatort.
2010 stand er in Bodo Fürneisens Verfilmung des Märchens Die Prinzessin auf der Erbse nach Hans Christian Andersen als König gemeinsam mit seinem Sohn Robert Gwisdek vor der Kamera, der seinen Sohn, den heiratsunwilligen Prinzen, spielt.[8] In der ZDF-Krimikomödie Schmidt & Schwarz (2012) agierte er an der Seite seiner ehemaligen Ehefrau Corinna Harfouch in der männlichen Hauptrolle des Kriminalhauptkommissars Paul Schmidt, der seinen Dienst quittiert, nachdem beschlossen wurde, dass in den Büros der Mordkommission nicht mehr geraucht werden darf.[9] Gwisdek war mit dem fertigen Film, bei dem seine Ehefrau Gabriela das Drehbuch schrieb, enttäuscht und kommentierte dies mit den folgenden Worten: „Über diesen Film ärgere ich mich die Platze! Auch wenn die ganze Welt ‚Schmidt & Schwarz‘ toll findet, mich bringt das Ding um“.[9]
2013 agierte er in Sibylle Tafels Tragikomödie Flaschenpost an meinen Mann als Schwiegervater Thomas der von Melika Foroutan gespielten Tanzlehrerin Susanne. In Jan Georg Schüttes improvisiertem Ensemblefilm Altersglühen – Speed Dating für Senioren (2014) spielte er den Rentner Volker Hartmann, der sich mit seinem Mitbewohner Kurt Mailand (Jörg Gudzuhn) zum Speed-Dating in Hamburg-Rahlstedt verabredet. In der weihnachtlichen Tragikomödie Alle unter eine Tanne (2014) übernahm er die Rolle des geschiedenen Arztes Dr. Robert Berger, der seine neue Beziehung mit seiner Sprechstundenhilfe Chrissi (Johanna Gastdorf) vor seiner Frau verheimlicht. In dem ARD-Fernsehfilm Eins ist nicht von dir (2015) verkörperte er den ehemaligen Flugkapitän Uli Becker, dessen Frau (Barbara Schöne) kurz nach seiner Pensionierung im Sterben liegt und ihm als Letztes offenbart, dass eines ihrer Kinder nicht von ihm ist. In der ARD-Tragikomödie Mein Schwiegervater, der Stinkstiefel war er im Dezember 2015 als Bauer Hans Polack, der seine Schwiegertochter, die Thailänderin Lamai (Mai Duong Kieu), partout nicht akzeptieren will, zu sehen.
Zwischen 2015 und 2019 hatte Gwisdek drei Gastauftritte in der ZDF-HerzkinoreiheDas Traumschiff. In seinem ersten Auftritt, in der Folge Kanada, war er in der Rolle des lebenslustigen Walter König, der mit dem inzwischen pensioniertem Lehrer Julius Dornfelder (Jörg Gudzuhn) – ebenfalls Passagier an Bord – befreundet ist, zu sehen. Ende 2016 war er in der Folge Palau des unter einer vaskulären Demenz leidenden Martin Kochs zu sehen, der gemeinsam mit seiner Tochter Evelyn (Jeannette Arndt) auf dem Traumschiff unterwegs ist. Im Dezember 2019 war er neben Uschi Glas in der Folge Antigua, dem ersten Film mit dem neu eingeführten Kapitän Max Parger (Florian Silbereisen), als Rentner Heinz Kolatschek, der wenig davon begeistert ist, mit seiner Ehefrau Marlene ihre Goldene Hochzeit zu feiern, an Bord.
Anfang Januar 2016 war er in dem Pilotfilm Alles auf Anfang des zweiteiligen ARD-Fernsehfilms Unser Traum von Kanada als verwitweter und pensionierter Bauingenieur Richard, der erfährt, dass er einen unheilbaren Tumor in sich trägt, zu sehen.
Innerhalb der MDR-Fernsehsendung Lebensläufe entstand 2017 eine halbstündige Dokumentation unter dem Titel „Michael Gwisdek – Cowboy, Boxer, Gott: Ein Schauspielerleben“ über ihn und seine Karriere als Schauspieler.[10]
Im Februar 2019 war er neben Harald Krassnitzer, Jennifer Ulrich und Tino Mewes in der ARD-Tragikomödie Familie Wöhler auf Mallorca als der auf Mallorca lebende pensionierte Metzger Helmut Wöhler, der seine Familie zu einer gemeinsamen Wanderung in die Serra de Tramuntana einlädt, zu sehen. In der ZDFneo-Kriminalfernsehserie Dead End, die ab Ende Februar 2019 startete, war Gwisdek der an beginnender Demenz leidende Leichenbeschauer Peter Kugel. Im August 2019 war er unter der Regie von Maria von Heland in der ZDF-Tragikomödie So einfach stirbt man nicht als Rentner und eigenwilliger Vater Kurt Lehmann, der nach einem plötzlichen Herzinfarkt kurzzeitig ins Koma fällt, zu sehen.
Von August bis Anfang September 2019 stand Gwisdek an der Seite von Heino Ferch und Tanja Wedhorn für die ARD-Fernsehkomödie Liebe ist unberechenbar in seiner letzten Rolle vor der Kamera. Er spielte den Vater des an einer Sozialphobie leidenden Mathematikprofessors, der es mag, den Menschen, welchen er begegnet, mit seinem derben Humor zu unterhalten.[11][12] Die Erstausstrahlung des Films erfolgte postum im Januar 2021.
Privates
Michael Gwisdek war von 1985 bis 2007 mit der Schauspielerin Corinna Harfouch verheiratet, trennte sich aber bereits 1999 von ihr.[13] Harfouch brachte einen unehelichen Sohn[14], den Komponisten Johannes Gwisdek (* 1980), mit in die Ehe. Ihr gemeinsamer Sohn Robert Gwisdek (* 1984) ist ebenfalls Schauspieler und daneben als RapperKäptn Peng in der Alternative-Hip-Hop-Band Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi, in der er gemeinsam mit seinem Halbbruder spielt, bekannt.
Seit Juli 2007 war Michael Gwisdek mit der Schriftstellerin Gabriela Gwisdek verheiratet. Er lebte auf einem geerbten Grundstück seiner Tante in der Gemeinde Schorfheide[15] in Brandenburg.
Der passionierte Raucher[16] starb am 22. September 2020 nach kurzer schwerer Krankheit im Kreise seiner Familie im Alter von 78 Jahren. Er hinterließ seine Ehefrau mit Tochter[17] und seine beiden Söhne.[18]
Sein Grabmal befindet sich auf dem Französischen Friedhof I in der Chausseestraße in Berlin.
Frank-Burkhard Habel, Volker Wachter: Das große Lexikon der DDR-Stars. Die Schauspieler aus Film und Fernsehen. Erweiterte Neuausgabe. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2002, ISBN 3-89602-391-8.
Frank-Burkhard Habel: Lexikon. Schauspieler in der DDR. Verlag Neues Leben, Berlin 2009, ISBN 978-3-355-01760-2.
Der ungeteilte Himmel. Schauspieler aus der DDR erzählen. Verlag Neues Leben Berlin, 2009. ISBN 978-3-355-01764-0.
↑Hans-Michael Bock: Michael Gwisdek – Schauspieler. In: CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film
↑ abcdefgMichael Gwisdek in: Internationales Biographisches Archiv 47/2015 vom 17. November 2015, im Munzinger-Archiv, abgerufen am 17. November 2015 (Artikelanfang frei abrufbar)