Walter Boehlich war der Sohn des schlesischenSchriftstellersErnst Boehlich. Dass der arische Vater sich von der jüdischen Ehefrau trennte, bedeutete ihren Abtransport.[1] Wegen seiner jüdischen Herkunft benachteiligten die Nationalsozialisten ihn in der Schule. In der Nachkriegszeit studierte er Philologie bei Ernst Robert Curtius, dessen Assistent er von 1947 bis 1951 war.
Als entschieden sozialkritischerPublizist erwies er sich nicht zuletzt in der Kulturzeitschrift Kursbuch, in der er 1968 – in einem „Autodafé“ betitelten Text, der der nr.15 des Kursbuch als Poster beilag und in vielen studentischen WG-Küchen hing – die Literatur und ihre Wirkung in einem historisch-gesellschaftlichen Kontext verortete:
„Die Kritik ist tot. Welche? Die bürgerliche, die herrschende. Sie ist gestorben an sich selbst, gestorben mit der bürgerlichen Welt, zu der sie gehört, gestorben mit der bürgerlichen Literatur, die sie schulterklopfend begleitet hat, gestorben mit der bürgerlichen Ästhetik, auf die sie ihre Regeln gegründet hat, gestorben mit dem bürgerlichen Gott, der ihr seinen Segen gegeben hat …“
Posthum zusammen mit Karlheinz Braun, Klaus Reichert, Peter Urban, Urs Widmer: Chronik der Lektoren. Von Suhrkamp zum Verlag der Autoren. Verlag der Autoren, Frankfurt am Main 2011, ISBN 978-3-88661-345-8.
Kein Grund zur Selbstreinigung. Die Titanic-Kolumnen (Hrsg. v. Christoph Kapp und Helen Thein. Mit einem Nachwort von Stefan Gärtner). Verbrecher Verlag, Berlin 2019, ISBN 978-3-95732-383-5
Briefe
„Ich habe meine Skepsis, meine Kenntnisse und mein Gewissen.“ Briefe 1944 bis 2000, hrsg. von Christoph Kapp und Wolfgang Schopf, Schöffling, Frankfurt am Main 2021, ISBN 978-3-89561-614-3
Herausgeberschaft
Marcel Proust: Briefe zum Werk, Frankfurt am Main 1964
Der Berliner Antisemitismusstreit. Eine Textsammlung von Walter Boehlich. Neu herausgegeben und eingeleitet von Nicolas Berg, Jüdischer Verlag, Berlin 2023, ISBN 978-3-633-54311-3 (mit zusatzlichen Texten von Berthold Auerbach, Levin Goldschmidt und Moritz Lazarus sowie ausführlichen Kommentaren zu den Quellen).
Georg Gottfried Gervinus: Einleitung in die Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts, Frankfurt am Main 1967
Der Hochverratsprozeß gegen Gervinus, Frankfurt am Main 1967
Karl Gutzkow: Deutschland am Vorabend seines Falles oder seiner Größe, Frankfurt am Main 1969
Thomas Mann: Schriften zur Politik, Frankfurt am Main 1970
Helmut Peitsch / Helen Thein: Walter Boehlich (1921–2006). „Wer nicht las, galt nicht“, in: Ines Sonder, Karin Bürger, Ursula Wallmeier (Hrsg.): „Wie würde ich ohne Bücher leben und arbeiten können?“ Privatbibliotheken jüdischer Intellektueller im 20. Jahrhundert. vbb, Verl. für Berlin-Brandenburg. Berlin. 2008, S. 82–112. ISBN 978-3-86650-069-3
Helmut Peitsch, Helen Thein-Peitsch (Hrsg.): Walter Boehlich – Kritiker. Akademie Verlag. Berlin. 2011. ISBN 978-3-05-005085-0