Die Burschenschaft Germania Königsberg zu Hamburg (vor 1950: Königsberger Burschenschaft Germania) ist eine farbentragende, pflichtschlagendeStudentenverbindung. 1843 gegründet[1], ist sie sowohl die älteste KönigsbergerBurschenschaft als auch die älteste Burschenschaft der „weißen Richtung“, seit 1950 zudem die älteste Studentenverbindung in Hamburg. Sie ist Mitglied im Ring Weißer Burschenschaften (RWB) und in der Arbeitsgemeinschaft deutscher Burschenschaften (AdB).
Das Couleur ist schwarz-weiß-rot (Leserichtung von unten nach oben) mit silberner Perkussion. Schwarz und Weiß sind die Farben Preußens, das Rot ist karmin- oder weinrot und entstammt dem Königsberger Stadtwappen. Anders als die meisten anderen Studentenverbindungen kennt Germania Königsberg kein Fuchsenband. Die Füchse tragen das gleiche Couleur wie Burschen und Alte Herren. Als Mütze wird eine weinrote Samtmütze mit weinrot-weiß-schwarzem Mützensteg und silberner Perkussion getragen. An der linken Seite wird seit der Rekonstituierung in Hamburg 1950 ein silberner Albertus getragen.
Der Wappenschild ist viergeteilt und enthält zusätzlich einen Herzschild. Das linke obere Feld zeigt auf rotem Grund einen silbernen Albertus, das rechte obere Feld auf weißem Grund einen Schild in den Bundesfarben, der von einem Lorbeerkranz umringt wird. Rechts unten finden sich auf schwarzem Grund zwei gekreuzte Glockenschläger, darunter zwei sich einander reichende Hände in einem Eichenlaubkranz; links unten eine Ruine vor einer aufgehenden Sonne. Der Herzschild ist silbern umrandet und zeigt auf rotem Grund in schwarz den Zirkel der Verbindung. Dieser lautet CvG! als Abkürzung von „Corona vivat Germania“ (Es lebe das Kränzchen Germania). Er besteht anders als bei fast allen anderen Studentenverbindungen nicht aus einer verschlungenen Buchstabenkombination basierend auf den Anfangsbuchstaben EFV (Ehre, Freiheit, Vaterland) oder VCF (Vivat, Crescat, Floreat). Die drei Buchstaben C, v und G sind stattdessen hintereinander angeordnet. Eine ähnliche Gestaltung des Zirkels kennen bzw. kannten viele Königsberger Korporationen, beispielsweise das Corps Masovia oder die Burschenschaften Hochhemia und Palmburgia.
Die Burschenschaft Germania Königsberg wurde am 8. September 1843 in Königsberg durch acht Studenten als burschenschaftliches Kränzchen Germania innerhalb der Allgemeinen Burschenverbindung Albertina gegründet.[1] Wahlspruch und Zirkel der Germania sind bis heute unverändert geblieben.
Am 9. Februar 1845 schied Germania aus der Albertina aus, nahm am 23. Februar eigene Statuten an und konstituierte sich als selbständige Burschenschaft.
In der Zeit zwischen Frühjahr 1848 und Sommer 1851 wurden aus Solidarität mit der Deutschen Revolution die urburschenschaftlichen Farben schwarz-rot-gold geführt. In den 1850ern nahm die Zahl der aktiven Mitglieder stark zu, weshalb von acht ausgetretenen Germanen am 22. November 1854 die Burschenschaft Gothia (heute in Göttingen) als Tochterverbindung gegründet wurde. Im Sommersemester 1858 waren von 393 Studenten der Königsberger Universität 35 Mitglied bei Germania.[2] Das in diesem Jahr eingeführte Lebensprinzip wurde 1897 wieder aufgegeben.[3]
Etablierung
Am 12. November 1874 beteiligte sich Germania an der Gründung des Eisenacher Deputierten-Convents, trat aber schon im Juni 1880 aufgrund der dauernden verbandsinternen Streitigkeiten wieder aus. Im Sommersemester 1885 trat Germania dem vier Jahre zuvor gegründeten Allgemeinen Deputierten-Convent (ab 1902: Deutsche Burschenschaft) als vollberechtigtes Mitglied ohne Probezeit bei. Sie vertrat im Verband einen streng korporativen, konservativen Standpunkt.
Im Wintersemester 1934/35 trat Germania aus Protest gegen die von den Nationalsozialisten vereinnahmte Verbandspolitik aus der Deutschen Burschenschaft aus und der Alten Burschenschaft bei, die sich aber schon am 15. Oktober 1935 unter dem Druck der politischen Verhältnisse auflösen musste. Am 30. Oktober 1936 suspendierte Germania aufgrund der politischen Umstände. Germania hatte es stets abgelehnt, sich in eine Kameradschaft des NS-Studentenbundes umzuwandeln bzw. eine solche Kameradschaft zu unterstützen. Im Oktober 1938 wurde auch das Verbindungshaus in Maraunenhof verkauft, um einer Enteignung auf Initiative des NSDStB zu entgehen. Einzelne Alte Herren Germanias traten der Kameradschaft Honigfelde des NSDStB bei, der Altherrenverband lehnt einen Beitritt als ganzes aber ab und mietete eine Wohnung in der Münzstraße 10 an, in der sich die Germanen bis zur Zerstörung des Hauses im August 1944 durch britische Luftangriffe regelmäßig trafen. Bei diesem Bombenangriff ging das Mobiliar und das Archiv der Germania verloren. Das alte Verbindungshaus hat den Krieg weitgehend unbeschädigt überstanden und beherbergt heute einen Kindergarten.
63 Germanen fielen während des Zweiten Weltkrieges oder starben an den Kriegsfolgen.
Neubeginn in Hamburg
Nach der Zerstörung Königsbergs rekonstituierte sich Germania Königsberg am 8. März 1950 in Hamburg und trat dem Hamburger Waffenring (HWR) bei. Am 15. Juni beteiligte sie sich an der Wiedergründung der Deutschen Burschenschaft und übernahm am 4. November die noch dreißig Mann zählende Altherrenschaft der vertagtenHamburger Burschenschaft Askania (gegründet 1920 als Wehrschaft). Die ehemaligen Askanen trugen ihr Band zusätzlich zum Germanencouleur. Im Februar 1954 kaufte Germania ihr heutiges Verbindungshaus in der Heimhuder Straße 34 im Stadtteil Rotherbaum.
Zum Burschentag 1959 stellte Germania den Antrag, „der Burschentag möge der Erwartung Ausdruck verleihen, daß sämtliche Burschenschaften von ihren aktiven Mitgliedern mindestens zwei genügende Pflichtmensuren forderten“, was im Verband erhebliche Spannungen auslöste.[5]
1961 zerfiel der Weiße Kreis über der Frage der Aufnahme österreichischer Burschenschaften in die Deutsche Burschenschaft. Am 15. Februar 1963 löste sich aufgrund von Meinungsverschiedenheiten in Mensurfragen auch das Altweiße Kartell auf. Das AWK bildete sich auf dem Burschentag 1963 ohne Beteiligung Germanias neu, löste sich aber kurze Zeit später erneut auf.
Im Juni 1965 war Germania Gründungsmitglied des „Ringes Weißer Burschenschaften“ (RWB). Der RWB entstand auf dem Burschentag in Berlin durch acht ehemalige Mitgliedsburschenschaften des Weißen Kreises: Germania Königsberg zu Hamburg, Germania Berlin, Cimbria Berlin (beide später fusioniert zu Brandenburgia Dortmund), Frankonia Bonn, Alemannia Göttingen, Cimbria Würzburg, Alemannia Marburg und Franconia Freiburg. Der RWB besteht heute (2013) neben Germania aus den Burschenschaften Frankonia Bonn, Normannia Leipzig (seit 1994), Normannia Leipzig zu Marburg (seit 1973) und Obotritia Rostock (seit 2004).
Im Oktober 1981 wurde Germania wegen der Aufnahme von Wehrdienstverweigerern aus der DB ausgeschlossen,[6] bereits zum Burschentag 1983 aber wieder aufgenommen, nachdem die betroffenen Bundesbrüder ihre Verweigerung widerrufen oder die Burschenschaft verlassen hatten.
Seit 2000
2009 hielt Sabine Schiffer im Rahmen einer von der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft ausgerichteten Veranstaltung auf dem Haus der Germania einen Vortrag zum Thema „Manipulation durch die Medien: Reformlügen, vorgebliche Friedensinitiativen, subtile Kriegspropaganda“.[7]
Im Mai 2014 wurde auf dem Haus der Germania die Arbeitsgemeinschaft deutscher Burschenschaften (AdB) gegründet. Im selben Monat erfolgte der Austritt aus der DB.
Ausrichtung als Burschenschaft
Die Burschenschaft Germania Königsberg war von 1885 bis 2014 mit zwei Unterbrechungen Mitglied der Deutschen Burschenschaft (DB) (bzw. deren Vorgänger Allgemeiner Deputierten Convent): 1934 trat sie kurz vor der völligen Gleichschaltung und Auflösung der DB im Nationalsozialismus aus dieser aus und der Alten Burschenschaft bei und beteiligte sich 1950 an der Wiederbegründung der DB. Von 1981 bis 1983 war sie zudem kurze Zeit wegen der Aufnahme von Wehrdienstverweigerern aus der DB ausgeschlossen.
Germania ist mit fünf Pflichtmensuren pflichtschlagend. Als älteste Burschenschaft der „weißen Richtung“ legt sie besonderes Augenmerk auf ihr korporatives Zusammenleben und gesellschaftliche Umgangsformen.
Germania ist Mitglied im Ring Weißer Burschenschaften (RWB), dem daneben noch die Burschenschaften Frankonia Bonn, Obotritia Rostock, Normannia Leipzig und Normannia Leipzig zu Marburg angehören. Seit 2006 besteht zwischen der Bonner Burschenschaft Frankonia und der Germania Königsberg zu Hamburg ein offizielles Freundschaftsverhältnis.
Besonderes
Durch die periphere Lage Königsbergs innerhalb Deutschlands und die große Entfernung zu anderen deutschen Universitätsstädten – die nächsten waren Breslau und Greifswald – haben sich bei der Germania Königsberg eine ganze Reihe Besonderheiten entwickeln und halten können, die sie noch heute von der großen Mehrheit der Studentenverbindungen unterscheiden:
Eduard Ebel: Festlied zum 50. Stiftungsfest (1893).
Auch das Amt des Fuchsmajors gibt es nicht. Für die Ausbildung der jüngsten Mitglieder ist der sogenannte Fuchskränzchenführer zuständig.
Die bei den meisten anderen Studentenverbindungen Convente genannten Mitgliederversammlungen heißen bei Germania schlicht „Versammlungen“.
Chargiert wurde bis 1950 ausschließlich im Frack. Heute ist dies nur noch bei großen Festlichkeiten wie „runden“ Stiftungsfesten üblich.
Hugo Braesicke (1843–1898), aktiv im SS 1862; Jurist, Oberbürgermeister von Bromberg, Mitglied des Preußischen Herrenhauses
Rudolf Braesicke (1841–1920), aktiv im SS 1862; Gutsbesitzer und Mitglied des Deutschen Reichstags
Ewald Hecker (1843–1909), aktiv im WS 1862/63; Mediziner, Psychiater
Paul Kunckel (1844–1925), aktiv im WS 1863/64; Richter und Kommunalbeamter, Bürgermeister von Königsberg
Heinrich Elditt (1846–1909), aktiv im SS 1866; Jurist, Oberbürgermeister von Elbing, Mitglied des Preußischen Herrenhauses
Leo Feldt (1846–1928), aktiv im SS 1866; Jurist, Generalmajor
Franz Falkson (1850–1904), aktiv im SS 1871; Jurist, Kommunalpolitiker (Freikonservative Partei), Erster Bürgermeister von Weißenfels
Max Hagedorn (1852–1914), aktiv im WS 1872/73; Arzt und Entomologe, Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft
Kurt Schustehrus (1856–1913), aktiv im SS 1874; Jurist, Oberbürgermeister von Charlottenburg, Mitglied des Preußischen Herrenhauses
Hugo Falkenheim (1856–1945), aktiv im WS 1874/75; Mediziner, Professor für Pädiatrie in Königsberg, Generaloberarzt, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Königsberg
Max Richter (1856–1921), aktiv im WS 1875/76; Jurist, Unterstaatssekretär, Aufsichtsratsvorsitzender des Kalisyndikats
Oskar Minkowski (1858–1931), aktiv im WS 1875/76; Professor für Innere Medizin in Straßburg, Köln, Greifswald und Breslau
Hans Parlow (1856–1928), aktiv von 1876 bis 1878; Schriftsteller (Dunkelrot-Weiß-Rosenrot)
Arnold Sommerfeld (1868–1951), aktiv im SS 1887; Theoretischer Physiker (Bohr-Sommerfeldsches Atommodell), Professor für Physik in Clausthal, Aachen und München
Erhard Roß (1877–1945), aktiv im WS 1898/99; Historiker und Philologe
Georg Rauschning (1876–1856), aktiv im SS 1893; Jurist, Landrat von Czarnikau, Oberfinanzpräsident der Hansestadt Hamburg
Johannes Felsch (1882–1952), aktiv im WS 1902/03; Geologe, Professor für Geologie in Santiago de Chile
Reinhart Bezzenberger (1888–1963), aktiv im SS 1906; Jurist, Erster Landesrat in Ostpreußen
Gerhard Bohlmann (1878–1944), aktiv 1909; Schriftsteller und Journalist
Walter Scheibert (1889–1944), aktiv im SS 1908; Verwaltungsjurist
Gerhard Lapp (1891–1977), aktiv im SS 1911; Jurist, Ministerialdirektor im Bundespostministerium
Erhard Nehring (1892–1982), aktiv im SS 1913; Mediziner, Bakteriologe, Leiter des Instituts für Wasser-, Boden- und Lufthygiene
Alfred Lublin (1895–1956), aktiv im WS 1913/14; Arzt und Diabetologe
Hans Heesch (1903–1966), aktiv 1924 (Askania); Oberschulrat, Präsident der Hamburger Evangelisch-Lutherischen Landessynode, Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft
Gustav Feiler (1908–1980), aktiv im SS 1927; Jurist, Staatsanwalt, Rechtswissenschaftler
Erich Domaschk (1908–1974), aktiv im SS 1928; Offizier, Mitbegründer des Bundes Deutscher Offiziere
Horst Peters (1910–2000), aktiv im SS 1928; Jurist, Präsident des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen
Hans-Georg Wormit (1912–1992), aktiv im SS 1930; Jurist, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Otto Neumann (1884–1969), Ehrenmitglied im SS 1935; Jurist, Senatspräsident beim Reichskriegsgericht
Reinhold Heling (1927–2008), aktiv im SS 1950; Jurist, Verwaltungsrichter und Genealoge
Jürgen Borgwardt (1937–2007), aktiv im SS 1957; Jurist, Hauptgeschäftsführer der Union der leitenden Angestellten
Rainer Dieterich (* 1943), Ehrenmitglied im SS 2007; Professor für Psychologie
Mitgliederverzeichnis
Willy Nolte (Hrsg.): Burschenschafter-Stammrolle. Verzeichnis der Mitglieder der Deutschen Burschenschaft nach dem Stande vom Sommer-Semester 1934. Berlin 1934. S. 1064.
Hans-Georg Balder: Korporationsleben in Königsberg. Studenten an der Albertina 1544 bis 1945. WJK, Hilden 2010, ISBN 978-3-940891-33-4.
o. A.: Burschenschaft Germania Königsberg i. Pr. In: Michael Doeberl et al. (Hrsg.): Das akademische Deutschland. Band 2: Die deutschen Hochschulen und ihre akademischen Bürger. C. A. Weller, Berlin 1931. S. 910.
Rainer Dieterich: Sinngeschichte der Burschenschaft Germania Königsberg. Wechselwirkungen zwischen Zeitgeist und korporationsstudentischer Mentalität. Band I: Vorgeschichte und Königsberger Zeit, Band II: Die Hamburger Zeit. Eick, Kiel 2018, ISBN 978-3-9815733-8-1, ISBN 978-3-9815733-9-8.
Klaus Kube: Personengeschichte der Burschenschaft Germania Königsberg. Eine biographische Sammlung. Band I: Die Königsberger Zeit. Eick, Kiel 2018, ISBN 978-3-9815733-4-3.
Andreas Mildahn: Studentische Korporationen an der Albertus-Universität Königsberg i. Pr. in lexikalischer Übersicht (E–M). Einst und Jetzt, Bd. 63 (2018). S. 269–276.
Emil Popp: Erinnerungen – Aus der Geschichte der Burschenschaft Germania Königsberg, Hamburg 1993.
Emil Popp: Zur Geschichte des Königsberger Studententums, Holzner, Würzburg 1955 (Neuausgabe: WJK, Hilden 2004, ISBN 3-933892-52-X).
↑Arthur Kittel: Aus dem Königsberger Studentenleben 1858–1863. Gräfe und Unzer, Königsberg 1920. S. 1.
↑Hugo Böttger: Handbuch für den deutschen Burschenschafter. Berlin 1912. S. 362.
↑Ernst Hans Eberhard: Handbuch des studentischen Verbindungswesens. Leipzig, 1924/25, S. 83.
↑Sonja Kuhn: Die Deutsche Burschenschaft – eine Gruppierung im Spannungsfeld zwischen Traditionsformalismus und Traditionsstiftung – eine Analyse für den Zeitraum 1950 bis 1999. Diplomarbeit im Studiengang Pädagogik, Philosophie, Psychologie der Universität Bamberg. Stuttgart 2002, ISBN 3-00-009710-4. S. 99.
↑Hans-Georg Balder: Geschichte der Deutschen Burschenschaft. WJK-Verlag, Hilden 2005, ISBN 3-933892-25-2. S. 470.
↑Jürgen Borgwardt (Hrsg.): Germanenliederbuch. Liederbuch von und für Königsberger Germanen. Burschenschaft Germania Königsberg zu Hamburg, Hamburg 2002.
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